Progressiverock, die Geschichte
BEGRIFF
Der Progressive Rock ist eine Strömung der Rockmusik, die etwa Mitte der 1960er Jahre entstanden ist. Die Musikrichtung ist in kaum wechselnder Erscheinungsform – bis in die Gegenwart aktiv.
Das Kennzeichen des Progressive Rock ist ein schrankenloser Eklektizismus, der es den Musikern dieser Stilrichtung erlaubt, neben Elementen der Rock und Pop-Musik auch Bestandteile traditioneller, europäisch geprägter Kunstmusik, Jazz wie auch Musik diverser Ethnien zu benutzen.
In der Faktur – Harmonik, Melodik, Metrik, Rhythmik – reicht Progressive Rock nur selten über die Mittel der Spätromantik hinaus. Wenn im Progressive Rock auch eine Vielzahl von Instrumenten benutzt wird, so steht im Zentrum dennoch das übliche Rockinstrumentarium (Gitarre, Bassgitarre, Schlagzeug). Allerdings wird die Musik von den Keyboard-Instrumenten wesentlich geprägt: Hammond-Orgel, Synthesizer, Klavier, Mellotron.
YES
Ist eine britische Rockband aus dem Bereich Progressiverock. Die Gruppe war vorwiegend in den 1970er Jahren stilbildend für das Genre und übt noch heute großen Einfluss auf die Stilrichtung des Progressiverock aus.
Gegründet wurde die im Klassikrock beheimatete Gruppe Yes 1968 von Jon Anderson und Chris Squire mit den Begleitmusikern Peter Banks, Tony Kaye und Bill Bruford.
Die Geschichte von Yes ist von wiederholten Umbesetzungen und teilweise erheblichen Stiländerungen geprägt. Als kreativer und künstlerischer Höhepunkt der Band gelten die 1970er Jahre, in denen einige der herausragenden Alben des Progressive Rock aufgenommen wurden, während der größte kommerzielle Erfolg 1983 gelang.
JETHRO TULL
Jethro Tull ist eine 1967 gegründete britische Rockband. Ständiges Mitglied und Bandleader ist der Komponist, Multiinstrumentalist und Sänger Ian Anderson (Gesang, Querflöte, Saxophon, Tin Whistle, Mundharmonika, akustische Gitarre, Mandoline und andere).
Jethro Tull ist die einzige international erfolgreiche Band der Rockgeschichte, in deren Musik die Querflöte eine tragende Rolle einnimmt. Charakteristisch sind perfektionierte Techniken des forcierten Ausdrucks, etwa scharfes Anblasen, Flatterzunge und gleichzeitiger Stimmeinsatz. Der musikalische Stil der Band wird weithin dem Progressiverock und partiell dem Blues- und Folk-Rock zugeordnet. Zudem verarbeitete Jethro Tull Einflüsse aus Jazz, Weltmusik und elektronischer Musik.
GENESIS
Genesis ist eine 1967 gegründete, einflussreiche britische Rockband, die mit weltweit über 150 Millionen verkauften Alben bis heute zu den kommerziell erfolgreichsten zählt: Gekennzeichnet durch ihre eigenständigen Mitglieder durchlief die Band unterschiedliche musikalische Epochen.
Die anfängliche Kombination aus komplexen Songstrukturen, anspruchsvollen Instrumentierungen und Arrangements sowie theatralischen Live-Auftritten machte die ursprünglich fünfköpfige Formation bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt ihrer Karriere neben King Crimson, Emerson, Lake & Palmer und Yes zu einem der wichtigsten und beliebtesten Vertreter des Progressiverock der 1970er Jahre.
DEFINITION
Das Problem des Progressive Rock ist nicht seine Existenz, sondern der Begriff.
Tatsächlich wurde dieser Begriff nicht mit dem Entstehen der Strömung populär, sondern erst später, etwa mit der Gründung der Label Harvest Records von EMI und Vertigo von Philips im Jahre 1969, die als Widerpart von Deccas DERAM-Records (1966) fungieren sollten. DERAM, dessen Namen aus dem von Decca geprägten Beriff „Deramic Sound Recordings“ abgeleitet worden war, war zunächst für die Präsentation und Erprobung einer neuen Aufnahme- und Masteringtechnik gegründet worden. So sind die ersten Veröffentlichungen keineswegs dem Progressive Rock zuzuordnen, sondern bestanden vor allem aus Easy-Listening-Schallplatten. Erst gegen Ende des Jahrzehnts richtete Decca mit DERAM den Focus seines Interesses auf sogenannte Progressive Music, tatsächlich auf Progressive Jazz – dieser Begriff war bereits als Marketingbegriff für Musiker, die an der Peripherie des Third Stream arbeiteten, eingeführt. Decca selbst war aber Ende der 1960er-Jahre wohl selbst nicht so recht von der eindeutigen Positionierung des DERAM-Labels überzeugt und gründete 1969 Nova Records als Label für Progressiverock. Nova bestand allerdings nur kurze Zeit.
GESCHICHTE
Für die Musik, die etwa ab 1970 den Namen “Progressiverock“ erhielt, gibt es keinen punktuellen Beginn. Es gibt keine LP, die all das prototypisch enthielt, was später als Progressiverock hätte bezeichnet werden können. Niemand hat den Progressiverock »erfunden« oder »begründet«. Selbst den Begriff gab es noch nicht, als es das Phänomen längst gab. Auch anhand späterer Aufnahmen – wie beispielsweise »Close to the edge« von Yes aus dem Jahre 1973 – lässt sich nicht zurückverfolgen, wann in der Vergangenheit wenigstens im Ansatz Ähnliches schon einmal auf Platte veröffentlicht wurde.
Doch gibt es natürlich diverse Musik, ohne die es unmöglich gewesen wäre, so etwas wie Progressiverock überhaupt als Möglichkeit der Rockmusik zu denken. Dazu gehören Aufnahmen von den Beach Boys, von den Beatles, von Procul Harum, von Pink Floyd, von Vanilla Fudge. Dazu gehören Elemente des Jazz ebenso wie des Psychedelicrock. Erst aus der gesamten Rockmusik um die Mitte der 1960er-Jahre – also etwa von 1964 bis 1968 – lassen sich die Stilmittel, die dann den Progressiverock von Yes, Jethro Tull, Genesis und Emerson, Lake and Palmer, aber auch Strömungen wie Art Rock und den Jazzrock der Canterbury Szene möglich machten, herausdestillieren. Einzelne dieser Stilmittel – wie etwa der Einsatz von Streichern oder das Zitieren aus der Kunstmusik – gab es natürlich schon vor 1964, doch gab es nicht den Willen, dies als Ausgangspunkt für Weiterentwicklungen zu sehen. Es gab überhaupt nicht die Idee, bestimmte Kompositionstechniken von der Kunstmusik auf die Rockmusik zu übertragen. Vielmehr wurden Instrumente, die, wie etwa die Streichinstrumente, vorzugsweise in der Kunstmusik verwendet wurden, als Kolorit gesehen, als Reminiszenz an die Kunstmusik. Ein Phil Spector hatte mit seinen Walls of Sound keine Synthese von Kunst- und Rockmusik im Sinn. Es ging ihm um einen Klang, der auf andere Weise als mit einem herkömmlichen Orchester eben nicht zu erreichen war. Umgekehrt: Vom Standpunkt originaler Rockmusik – etwa von Chuck Berry – hatten die Produktionen Spectors nichts mit Rockmusik zu tun. Es handelte sich um Pop Music für einen Massenmarkt von Ahnungslosen, denen man diese Musik als »Symphonies for teenagers« verkaufen konnte.
Die erste Hälfte der 1970er-Jahre bestimmte der Progressive Rock. Zwar gab es Disco Music und auch weiterhin Blues, Country und Folk, wer aber in den 1960er-Jahren Beatles, The Who, Pink Floyd und The Nice gehört hatte, fand nun im Progressive Rock die logische Fortsetzung – und eine Alternative zur etablierten Kunstmusik. Die großen Namen des Genres – Pink Floyd, Genesis, Yes, Jethro Tull, Emerson, Lake and Palmer, King Crimson – gaben die Richtung vor, zahllose Bands taten es ihnen nach, der Mini Moog wurde der Verkaufsschlager seines Herstellers, weil noch jede Amateurband sich das Instrument auf die elektrische Orgel stellte. Und wieder einmal hatten die Amerikaner das Nachsehen und konnten die britische Musik nur nachahmen. Allerdings konnte das amerikanische Publikum mit der Musik der britischen Progressiverock-Bands weit weniger anfangen als Briten und Kontinentaleuropäer. Es gab Kansas und Styx und einige andere, doch war die Musik dieser Band nicht recht mit der von Yes und Genesis zu vergleichen, schielte sie doch mit halbem Auge nach Hitparaden und Stadien.
Um 1975 allerdings erstarrte der Progressive Rock. Die Gründe sind nicht recht auszumachen, lässt man eine mögliche Übersättigung beim Publikum beiseite. Die Bands konnten offenbar Konzeptalben und Suiten am Fließband herstellen, die Musikelektronik spielte sich in den Vordergrund, die Themen hatten mit dem realen Leben nichts oder nur noch in einer sehr abstrakten Weise zu tun. …